Die Zweierkiste

Oder die Spirale „ich. du. Ich. Du. Ich! Du! ICH. DU. ICH! DU!“

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Vor-Sicht:

Der folgende Text könnte missverstanden werden! Die Episoden sind zusammengewürfelt aus mehreren Jahren Reiseerfahrungen! Wir leben immer noch und haben uns die Köpfe nicht eingeschlagen! Also: nehmt das Ganze mit Fassung, wie wir auch!

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Wir haben ein ausgezeichnetes Weltreisemobil: kräftig gebaut mit Reserven, grossräumig (vergl. 50m2 Wohnfläche), nach unseren Wünschen konfiguriert. Wir leben in diesem Fz unseren Traum vom Reisen, kommen überall hin, treffen viele Leute. Zugegeben, manchmal beneiden wir andere mit den grossen Kabinen und deren Wohnzimmer, Dusche, WC, aber nur kurz. Denn unser Fz ist für uns genau das Richtige. Es ist viel flexibler, wir können draussen sitzen und essen. Haben drinnen viel Platz, wenn wir die gleiche Raumzeit haben.

Also alles eitel Freude, Friede und Eierkuchen? Mitnichten!

Bist Du zu müde zum Fahren? Nein keineswegs. Aber Dein Gähnen? Ach was….Du bist müde, soll ich fahren? Keine Antwort. Sag mal, warum fährst Du so langsam? Ja sind wir den pressiert? …. Fahr doch schneller, so kommen wir nirgends hin! Spinnst Du? Pass doch auf! Heh, heh, nicht so schnell in die Kurve! Zwängele? Wir müssen doch pressieren! Zwänggring! Du hast doch gesagt…nein Du!…… ich. du. Ich. Du. Ich! Du! ICH. DU. ICH! DU!

Schalt doch mal rauf, einen Diesel fährt man nicht hochtourig wie eine Suzuki, sondern gemächlich wie eine Harley. Das Drehmoment ist am höchsten bei etwa 2000 Umdrehungen pro Minute. Besserwisser, ich bin schon lange im 5.Gang. Ja aber der Motor röhrt ja wie verrückt! Das sind die Ripios! Dann fahr doch langsamer! Du hast selber gesagt, dass man schnell über die Ripios fahren soll! Aber ich… ich. du. Ich. Du. Ich! Du! ICH. DU. ICH! DU!

Achtung, da kommt einer! Wo! Da vorne! Aha, der dort weit vorne? Du hast ihn ja nicht gesehen. Doch habe ich, aber der ist noch weit weg. Hinten blinkt einer, er will überholen. Ja, da vorne. Der Idiot, doch nicht in der Kurve! Ich habs doch gesagt. Was schreist Du mich an? Ich schreie nicht, Du hörst nicht. Doch Du schreist! Nein! Was hast Du gesagt? …. ich. du. Ich. Du. Ich! Du! ICH. DU. ICH! DU!

Kann ich Dir etwas helfen? Nein das kann ich selber. Das Gemüse schneiden? Muss ich zuerst rüsten und waschen. Da, aber nicht so klein fürs Breili im Altersheim, ich habe noch Zähne. Etwa 1cm-Stücke? Das muss nicht wissenschaftlich genau sein. Geit’s? Die sind zu gross, die Hälfte reicht! Eben. Bei diesem Theater mach ich das lieber selber. Ich mach kein Theater. Doch, machst Du immer! Nein ich…. ich. du. Ich. Du. Ich! Du! ICH. DU. ICH! DU!

Wie war das Essen? Gut. So, gut? Gut. Was hat Dir nicht gepasst? Es hat gepasst! Nein, ich merke das an Deinem Gesicht! Gut, das Fleisch war etwas zäh. Siehst Du ich hab’s ja gewusst, es passt Dir nicht. Doch! Nein, warum sagst Du nicht, dass es Dir nicht passt….!…He? Ich will kein Theater! Ich mach kein Theater! Doch, Du… ich. du. Ich. Du. Ich! Du! ICH. DU. ICH! DU!

Was musst Du immer den Leuten den gleichen Scheiss erzählen. Das habe ich schon hundertmal gehört. Die haben sich dafür interessiert. Ach was, Du hast immer nur geredet, sie konnten kein Wort sagen, wegen Deinem Geschnorre. Doch wir haben diskutiert! Du hast ihnen ja nicht zugehört! Doch ich…. ich. du. Ich. Du. Ich! Du! ICH. DU. ICH! DU!

Schrei mich nicht so an! Ich schreie nicht, Du verstehst sonst gar nichts. Doch, wenn Du klar und deutlich sprichst, verstehe ich alles!…..was hast Du gesagt? I-c-h – h-a-b-e – g-e-s-a-g-t -D-u – s-o-l-l-s-t g-u-t – z-u-h-ö-r-e-n – u-n-d – n-i-c-h-t – n-u-r – e-r-r-a-t-e-n! Ich errate nicht! Aber Du verstehst falsch. Nein, Du weisst nicht was Du gesagt hast!. Was soll ich gesagt haben! Das weisst Du ganz genau! Ich….. ich. du. Ich. Du. Ich! Du! ICH. DU. ICH! DU!

Ich muss immer alles selber machen, kochen abwaschen, putzen. Du sitzt am Computer den ganzen Tag. Ich will Dir doch helfen! Ja eine solche Hilfe kann ich gut gebrauchen, wenn jetzt schon alles fertig ist! Also ich mache den Kaffe, Du kannst die Whatsapp durchgehen. Kannst Du mir den Wasserkocher reichen? Und das Wasser auffüllen? Dann kann ich das Ganze ebenso gut selber machen! Nein ich mach das schon….Musst Du nicht noch das Gas anzünden? Ja, gibst Du mir den Gasanzünder? ….. He, der Kessel pfeift schon lange! Ou, ja. Was machst Du eigentlich am Computer die ganze Zeit? Fotos sortieren. Wozu? Für die Webseite. Das interessiert doch niemanden! Ist mir egal, ich mach’s für mich! Und Deine Fan-Gemeinde! Hab ich nicht! Doch, der Pesche schreibt doch immer wieder einen Kommentar! Hmm. Was soll der ganze Aufwand? Mach ich gerne! Und was soll ich machen? Mit Dir kann man ja nicht reden! Du hast doch Deine Whatsapp-Freunde! Ja, aber das ist nicht das gleiche! Ich würde gerne mit Dir sprechen! Du sprichst nie über Deine Gefühle! Doch, aber Du willst es nicht hören! Wenn ich sage es passt mir, sagst Du nein, das stimmt nicht! Was soll ich also sagen? Sage ich etwas, ist es falsch, sage ich nichts, ist es falsch, gebe ich Dir eine Antwort, heisst es pass auf was Du sagst! Wenn ich aufpasse, kommt nichts gescheites raus, wenn ich etwas gescheites sage, heisst es: muss es bei Dir immer so wissenschaftlich sein! …..mir. dir. Mir. Dir. Mir! Dir! MIR. DIR. MIR! DIR!

Kannst Du mal da vorne halten? Was willst Du? Siehst Du diese Landschaft. Aber das hast Du doch schon hundert mal aufgenommen. Aber nicht diese Lichtstimmung. Danke….Kannst Du mal…Schon wieder? Wo? Da! Das ist zu weit, etwas zurück. Danke….Ou,schau mal, da! Wo? Da? Anhalten? Schon ZU SPÄT !! ……Geht’s noch lange? Nur noch das Panorama!…Kommst Du jetzt? Das Panorama hat nicht geklappt, die Kamera klemmt…….So, ich gehe jetzt! Ich komme schon….Scheisskamera! Kannst Du nicht warten, bis ich komme? Ich habe lange gewartet! Bist Du so pressiert? Nein, aber…… ich. du. Ich. Du. Ich! Du! ICH. DU. ICH! DU!

Ich hasse meine Haare! Soll ich sie Dir schneiden? Nein das kannst Du nicht! Habe ich aber auch schon gemacht! Aber Du machst es nicht so wie ich will! Sag mir wie Du sie willst! Nicht zu lang! Also kurz? Nein nicht zu lang! ?? Mit dem Apparat die längste Einstellung. Das sind 20mm. Das ist zu kurz! Es geht nicht länger! Also, aber Du musst von vorn nach hinten! Ich weiss schon wie! Nein! …Geht das so? Aber die sind hier viel zu lang! Da hab ich noch gar nichts abgeschnitten….. Da sind immer noch lange Haare! Ich bin ja am Ausputzen! Der Haaransatz muss gebogen sein! Nach oben oder unten? Nicht gerade! Die Kottlet müssen auf beiden Seiten genau gleich hoch sein. So? Noch tiefer! So? Nicht so tief! ……Die Farbe muss genau an den Haaransatz! So geht das nicht! Doch! Nein, Du musst Streifen für Streifen den Haaransatz einstreichen! Nicht mit dem trockenen Pinsel! Du musst nicht mit der Farbe sparen, die muss aufgebraucht werden! Hier hinten ist alles noch weiss! Hab da noch gar nichts aufgetragen! Da, dieser Haarbüschel! Kommt auch noch dran…..So, fertig, geht das so? Ja, also, aber da sind noch viele Lücken! Aber es geht. Jetzt kannst Du mit Deinem Computer weitermachen, den Rest mache ich selber….. Nach dem Einwirken, Waschen, Trocknen…. Duuu, das hesch guet gmacht, merci!….Läck, häsch gseh? D’s Heidi hät e nöi Frisur! Die steit de Dir aber guet! Jez gfaue mir mini Hoor o wieder besser. U Du gfausch mer o! Jez chan i wieder emol so richtig i Dine Hoor nusche! Mmmtschi.

Das Leben in der Zweierkiste ist eng. Unsere Zweierkiste hat zwar 50m2 Wohnraum, aber nicht gleichzeitig. Wir beide bewegen uns jedoch immer in der gleichen Raum-Zeit mit 5m2 Wohnraum. Es fehlt der Raum, es fehlen die Angehörigen, die Freunde. Man kann nicht ausweichen, sich aus dem Weg gehen. Man kann die Türe nicht zuschletzen, sich in einem anderen Zimmer ausweinen, etwas ganz anderes machen. Davonlaufen, stehenlassen geht nicht. Die Zweierkiste bewegt sich weg.

Eigentlich ist das Zusammenleben in der Zweierkiste ganz einfach: man geht sich auf die Nerven, der/die Andere ist einfach unmöglich, unausstehlich, dumm, idiotisch, macht alles falsch und gehört weit weg vom Reisefahrzeug. Und doch bleibt man (wenigstens noch heute) zusammen. Kommen andere Leute dazu, ist sowieso alles wie weggeblasen, gute Miene zum bösen Spiel, eitel Friede, Freude, Eierkuchen. „Man“ gibt sich wieder etwas Mühe, der Friede ist kurzfristig gerettet, bis zum nächsten Knatsch. Der beginnt meistens mit einer Kleinigkeit, einem Missverständnis, einem falsch gewählten Wort, einem Fahrfehler. Dann beginnt die Spirale mit dem „ich. du. Ich. Du. Ich! Du! ICH. DU. ICH! DU!“ Wenn diese Spirale über Nacht nicht aufgerollt wird, dreht sie sich am nächsten Tag weiter, wird noch grösser und schneller, bis sie kaum mehr gestoppt werden kann.

Wenn wir das Leben leben wollen, vielleicht nach unserem Motto (live your dream, don’t dream your life, you have only one), dann müssen wir uns bewusst werden, dass wir das „Gestern“ nicht mehr ändern können und das „Morgen“ nicht kennen. Wir können nur heute und jetzt leben. Und das Leben ist zu kurz, um es zu vergeuden. Also ärgern wir uns nicht wegen gestern, machen uns keine Sorgen wegen morgen und leben heute und jetzt unseren Traum.

Wir haben eine grossartige Erfahrung gemacht: wenn wir im Schlamm stecken bleiben, wenn der Weg nicht mehr weiter geht, wenn wir echte Probleme haben, dann gibt es keinen Knatsch, keine Vorwürfe, keine Spirale. Dann gibt es nur enges, vertrautes zielstrebiges Zusammenarbeiten. Wir sind dann zwar fix und fertig, müde, abgeschlagen aber zufrieden mit uns und der Welt.

Also jetzt nicht hyperventilieren! Wir sind alle ok. Aber wie schnell kann ein Urknall entstehen? Eben. Und daraus entsteht Leben.

Ein Gedanke zu „Die Zweierkiste“

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