Überall die Ameisen!

Huch, es hat überall Ameisen! Schau mal, sie kriechen an den Tischbeinen hoch! Mich hat Eine gebissen! Wo ist die Spraydose „Mortein“? Tönt tödlich! Nicht zu hunderten, nicht zu tausenden, nein, zu hundertausenden kriechen die Viecher herum. Überall!

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Dabei, hast Du Dich schon mal für Ameisen interessiert? Am Boden findest Du dicke Ameisen-Strassen. Auf ihnen ein Gewusel von hin- und her-rennenden Ameisen. Sie rennen nebeneinander her, ineinander, durcheinander, scheren nebenaus: ein einziges Chaos.

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Bei genauerem Hinsehen, erkennst Du klare Strukturen: einige tragen schwere Lasten mit sich. Andere treffen Kollegen, tauschen mit den Antennen Nachrichten aus: woher? wohin? guter Platz? Gefahren? Wer weiss, vielleicht auch: wie geht es Dir? heute schon die Königin gefüttert? bist Du müde? was sagst Du zum Wetter? Mit ihren Antennen „fühlen“ sie auch den Weg: nach rechts? nach links? geradeaus? Wehe, so ein Idiot hat mit seinem nassen Finger einen Strich quer zur Strasse gemacht: die Spur ist verwischt, die Ameisen finden den Weg nicht mehr, es kommt zu einem dramatischen Stau auf beiden Seiten des Strichs. Unruhig und emsig suchen sich die Vorwitzigsten einen neuen Weg in der Landschaft.

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Stell Dir mal vor: Du bist 2mm gross, hast 6 Beine und rennst in einer Sekunde ca. 10cm durch Sand, Kies, Gras. Das macht auf Deine Grösse ca. 100m durch ein Flussbett in den Bergen mit haushohen Felsklötzen. Du trägst nicht ein Brotkrümel Deines Gewichts in den Zähnen, sondern einen Kartoffelsack von 150kg mit. Du musst Dich mit Deinen Antennen am Boden orientieren, die Sonne im Auge behalten, zwischendurch mit Deinen Kolleginnen kommunizieren über Geruchsdüsen. Das Ganze wird gesteuert von einem Hirn, das kleiner als ein Punkt ist. Da können die Ingenieure an der ETH noch viel lernen zur Steuerung ihrer autonomen Flugobjekte. Das weit ausholende Strassennetz ist ausgeklügelt angelegt. Es führt vom Hauptbau über Zwischenstationen mit kleinen Bauten in Löchern, die als Treffpunkte oder Kreuzungspunkte dienen direkt zu den Futterbäumen. Hier spielt die Symbiose zwischen Ameisen und Pflanzen: Der Baum liefert Nahrung in Form von Säften oder kleinen Insekten. Die Ameisen schützen im Gegenzug den Baum vor Schädlingen. Jeder Baum hat seine eigene „Ameisenkultur“ und die Ameisen bekämpfen fremde Eindringlinge vehement. Ein ganz besonderer Kampf findet zwischen Ameisen und Termiten statt: die Termiten kämpfen mit Messern, die Ameisen mit tödlichem Pfefferspray, beide wirken nur im Nahkampf. Sieger wird, wer mit seine Kumpanen gut zusammen arbeitet. Wenn Du also Deinen Stuhl mitten auf eine Ameisenautobahn platzierst oder mit Deinen Schuhen den Verkehrsfluss störst, musst Du Dich nicht wundern, wenn die Verteidigungsarmee auftaucht und den Störefried bekämpft, mit Unmengen von Kampfsoldaten.

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Wenn Du aber den Campingtisch sorgfältig neben die Autobahnen stellst und Deine Füsse den Verkehr nicht stören, kommen höchstens ein paar wenige „Scouts“ um die Gegend nach Futter auszukundschaften. Die stören kaum. Aber wenn Du irgendwo ein paar Krümel Brot oder andere Essensrestchen liegen lässt, werden die Scouts die sicher finden und eine neue Autobahn zum Bau hin bauen. Dann kommen sie wieder, zu hunderttausenden.

Das Rote Zentrum oder Was soll das Ganze, warum tun wir uns das an?

Der Connie Sue Highway (CSH) ist geschafft, Warburton erreicht, nun geht s weiter ins Rote Zentrum Australiens, nach Alice Springs. Ja, der CSH war hart im Geben: ruppiger Feldweg, nicht unterhalten, zu Wellblech verformt von den wenigen Fahrzeugen, die Felsen blankgefegt von Wind und Regen, der Sand weggewaschen von reissenden Bächen. Und das hunderte Kilometer weg von den nächsten zivilisatorischen Aktivitäten: einer Farm, einer Aboriginal Community, einem Roadhouse. Ortschaften kannst Du vergessen, die sind mindestens tausend Kilometer entfernt (zum Vergleich: Basel – Hamburg: ca. 800km). Aber wir waren auch hart im Nehmen: das Fahren auf diesem Weg: ein Genuss (wenn nur das heftige Rattern nicht wäre). Die Abgeschiedenheit und Einsamkeit kannst Du in Europa so nicht finden. Das Klima, nach Island und Norwegen, endlich warm. Nun ja, Backofentemperaturen von 50°C wären nicht nötig gewesen. Barfusslaufen geht nicht, der Boden brennt die Fusssohle durch. In Island waren nur die frischen Lava-Felsen heiss oder die heissen Quellen. Im Schatten ist es nur 48°C, kaum eine Wohltat. Wenigstens sind Abend und früher Morgen kühl, um die 30°C. Wir waren auch hart im Geben und Nehmen wenn’s drum ging, wer Recht hat. In kritischen Situationen liegen die Nerven blank, wir streuen noch Salz und Pfeffer drauf, bis beide still sind. Warum tun wir uns das alles an? Wir könnten im Byfang die Wärme drinnen, die Kälte draussen, oder ein warmes Bad geniessen, bequem in der modernen Küche feine Menüs kochen, gediegen essen und trinken, Fernsehen, Zeitung lesen und wissen was die kleine Welt der Schweiz so bewegt.

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